Ein armer Student namens Rodion Raskolnikow kämpft mit seinem eigenen Elend. Er beschließt, eine alte Pfandleiherin zu töten, leidet dann aber unter dem Verbrechen, das er begangen hat. Schließlich legt er ein ehrliches Geständnis ab und macht sich auf den Weg ins Gefängnis.
Schuld
Rodion Raskolnikow ist ein Student, der die Universität verlassen musste, weil er kein Geld hatte, um seine Studiengebühren zu bezahlen. Als er durch die dunklen und schmutzigen Straßen von Sankt Petersburg im 19. Jahrhundert geht, philosophiert er und kommt zu der Erkenntnis, dass es zwei Arten von Menschen gibt - gewöhnliche und außergewöhnliche. Natürlich glaubt er, dass er ein außergewöhnlicher Mensch ist, aber er muss es sich selbst beweisen. Traut er sich, etwas Großes zu tun, um sein Leben zu verändern? Aus irgendeinem Grund beschließt er dann, es wäre eine große Tat, die alte Pfandleiherin zu töten, der er seine letzten Uhren gegeben hat, um an etwas Geld zu kommen.
Raskolnikow und Marmeladow.
Machail Klodt / Public Domain
Während er über das geplante Verbrechen nachdenkt, trifft Rodion Semjon Marmeladow, einen Trunkenbold und ehemaligen Beamten. Der Mann erzählt Rodion von seinem ärmlichen Leben - dass seine erste Frau starb, er seine Arbeit verlor und seine Tochter sich prostituieren musste, um etwas Geld für die Familie heranzuschaffen. Später heiratete er eine andere Frau mit Kindern, sie alle sind unglücklich und mittellos.
Das Standbild aus dem sowjetischen Film „Schuld und Sühne“.
Leo Kulidschanov, 1969 / Filmstudio. M. Gorki, Mosfilm
Rodion hat großes Mitleid mit Marmeladow und gibt ihm sein letztes Geld, das er gerade von der Pfandleiherin erhalten hat. Doch wenig später erhält er einen Brief von seiner Mutter. Sie schreibt, dass Raskolnikows Schwester einen wohlhabenden Mann heiraten will, um Rodion aus seinem Elend zu verhelfen und dafür zu sorgen, sein Studium abzuschließen. Rodion aber kann nicht zulassen, dass seine Schwester ihn durch die Heirat eines abscheulichen Mannes, den sie nicht liebt, rettet. So kommt er zu dem Schluss, dass es nur eine Möglichkeit gibt, seiner Familie beizustehen: Indem er die Pfandleiherin tötet und deren Geld entwendet.
Raskolnikow tötet die alte Pfandleiherin.
Illustration von Nikolai Karasin, 1893
Er tötet die alte Frau schließlich, indem er sie mit einem Beil erschlägt. Vom Erscheinen ihrer Stiefschwester überrascht, die zur falschen Zeit nachhause kommt, spaltet er auch ihr mit dem Beil den Kopf. In aller Eile sammelt er etwas Geld ein und flieht.
Bestrafung
Am nächsten Tag bekommt Rodion Fieber. Zu seinem Erschrecken erhält er eine polizeiliche Ladung, aber es stellt sich heraus, dass ihm nur eine unbezahlte Miete vorgeworfen wird. Als Rodion das Polizeirevier verlässt, hört er, wie die Polizisten über einen Mord sprechen, und wird ohnmächtig. Vor lauter Angst vergräbt er alles, was er gestohlen hat, in der Erde.
Das Standbild aus dem sowjetischen Film „Schuld und Sühne“.
Leo Kulidschanov, 1969 / Filmstudio. M. Gorki, Mosfilm
Dann erfährt Raskolnikow, dass Marmeladow gestorben ist, nachdem er von einem Pferd überrannt wurde. Also gibt er Marmeladows Witwe den Rest des Geldes. Schließlich trifft er Sonja, Marmeladows Tochter, die ihn einlädt, an der Beerdigung teilzunehmen.
Raskolnikow beschließt, mit einem Freund zur Polizei zu gehen, um herauszufinden, wie er alles zurückbekommen kann, was die ermordete Pfandleiherin von ihnen angekauft hatte. Der Ermittlungsrichter Porfirij Petrowitsch scheint ein sehr gebildeter Mann zu sein. Er spricht mit Raskolnikow über den Artikel, den er über gewöhnliche und außergewöhnliche Menschen veröffentlicht hat. Dabei äußert er seine Bedenken, ob außergewöhnliche Menschen, die große Ideen haben, das Recht haben, sich zu erlauben, das Gesetz zu brechen, wenn es der Menschheit nützt. Denn Porfirij befürchtet, dass solche Menschen sich nicht nur erlauben könnten, ein Verbrechen zu begehen, sondern sogar zu morden ... Raskolnikow ist schockiert und glaubt von diesem Moment an, dass der Porfirij ihn verdächtigt - und wird noch nervöser.
Raskolnikow und Marmeladow.
Illustration von Nikolai Karasin, 1893
Sonja Marmeladowa, das arme Waisenkind, ist die einzige Person, der Raskolnikow von seinem Verbrechen erzählt. Sie überredet ihn, alles zu gestehen, und verspricht, ihm in das sibirische Gefangenenlager zu folgen. Der Ermittlungsrichter Porfirij besucht Raskolnikow und legt ihm ebenfalls ein Geständnis nahe. Schließlich geht Rodion zur Polizei und gesteht sein Verbrechen.
Er fühlt sich jedoch überhaupt nicht schuldig. Er bedauert nur, dass er nicht in der Lage war, das moralische Verbot des Mordes zu brechen. Er begreift, dass er nicht außergewöhnlich, sondern einfach nur gewöhnlich ist - und das macht ihm ein schlechtes Gewissen, das schwerer wiegt als das Verbrechen selbst.
Das Standbild aus dem sowjetischen Film „Schuld und Sühne“.
Leo Kulidschanov, 1969 / Filmstudio. M. Gorki, Mosfilm
Sonja hält ihr Wort, folgt ihm nach Sibirien und schenkt ihm eine Bibel. Nachdem er eine Krankheit im Gefängnis überlebt hat, begreift Raskolnikow endlich, dass er Sonjaliebt. Und so beginnt seine persönliche Wiedergeburt.
Wie lässt sich der Roman deuten?
Die Romanhandlung hat Dostojewski dem wirklichen Leben entnommen. Es gab einen Altgläubigen („raskolnik“ auf Russisch), der zwei Frauen mit einer Axt erschlug. Über seinen Prozess wurde in den Zeitungen berichtet. Es hätte eine spannende Detektivgeschichte werden können, aber Dostojewski lässt das Verbrechen am Anfang des Romans geschehen und widmet der Bestrafung sein Hauptaugenmerk. Raskolnikow bestraft sich selbst, und auf seltsame Weise erweist sich das Gefängnis als Erlösung von seinem seelischen Leiden.
Das Standbild aus dem sowjetischen Film „Schuld und Sühne“.
Leo Kulidschanov, 1969 / Filmstudio. M. Gorki, Mosfilm
Dostojewski schildert anschaulich den Abgrund der Sankt Petersburger Gesellschaft und die armen Menschen, die Furchtbares tun müssen, um zu überleben. Die reinste und unschuldigste Figur des Romans ist Sonja, die sich prostituieren muss, weil ihre Großfamilie in Not ist, während der Vater nur getrunken hat.
Die philosophischen und moralischen Bezüge des Romans sind wichtiger als die Kriminalgeschichte oder die sozialen Fragen. Im Zentrum steht Raskolnikows Idee „gewöhnlicher“ und „außergewöhnlicher“ Menschen. Die Tatsache, dass einige Menschen glauben, sich über andere erheben zu können. Dostojewski ist davon überzeugt, dass diese Menschen Gott verloren haben.
Der gesamte Roman lässt sich als Dostojewskis Antwort auf die nihilistischen Strömungen seiner Zeit lesen, die sich in den 1860er Jahren unter der radikalen Jugend verbreiteten. Der Schriftsteller zeigt, wozu der Verlust des Gottglaubens und die Verwerfung moralischer Grundwerte führen können. Es ist ihm damit gelungen, einen zeitlosen Roman zu schreiben, dessen Essenz viele weitere Werke inspiriert hat.
Das Standbild aus dem sowjetischen Film „Schuld und Sühne“.
Leo Kulidschanov, 1969 / Filmstudio. M. Gorki, Mosfilm
Einer verschwörerischen These zu diesem Roman zufolge ist der Name der Hauptfigur – Rodion Romanowitsch Raskolnikow – eine versteckte Botschaft von Dostojewski, die besagt: „raskol rodiny romanowych" („das Mutterland der Romanows ist zerbrochen“). Hinter diesem Niedergang stehen das Elend und die Armut der Menschen, die ihre christlichen Werte verloren haben. Allein die Bibel und der Glaube schließlich verhelfen Raskolnikow zu neuem Leben (und womöglich Russland zu seiner Wiedergeburt).
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